Wallrafs Köln
Der Sammler Ferdinand Franz Wallraf hat zu seinen Lebzeiten sehr gerne Gäste durch Köln geführt. Stellen wir uns doch einmal vor, Wallraf würde heute einen Blick auf seine Heimatstadt werfen.
Ob er die Orte wiedererkennt? Immerhin sah es zu seiner Zeit ganz anders aus. Hören wir ihm zu, was seine Eindrücke sind!
#1 Kölner Dom
Köln ohne den Dom kann man sich heute kaum vorstellen. Doch das war nicht immer so – ganz im Gegenteil! Viele von Wallrafs Zeitgenossen konnten sich nicht vorstellen, dass aus der Dombaustelle jemals eine fertige Kathedrale werden würde…
Ich kann es kaum fassen, der Dom ist ja fertig. Unglaublich! Sie müssen wissen, zu meiner Zeit war der Dom zwar schon einige Hundert Jahre alt, aber noch immer eine riesige Baustelle. Ich hätte nie gedacht, dass der Dom tatsächlich fertiggestellt werden würde… Und wie prächtig er aussieht!
Kölner Dom um 1824, Stahlstich von 1865, via Wikimedia commons, gemeinfrei
Der Kölner Dom
Guillotine am Dom
Vor der französischen Zeit fanden die Hinrichtungen in der Nähe des heutigen Melatenfriedhofs statt, also außerhalb der damaligen Stadtmauern. Ab 1798 wurden sie ins Zentrum verlegt, mitten auf den Domhof. Eine Guillotine wurde eigens dafür angeliefert.
Lange Bauzeit
Finanzierung
Es waren nicht allein die Preußen, die den Dom finanzierten. Der Hauptanteil des Geldes für die Wiederaufnahme des Baus wurde vom Zentraldombauverein zusammengetragen, einem von Kölner Bürgern gegründeten Verein, der in ganz Deutschland und auch in anderen europäischen Städten Unterstützer fand.
Friedrich Wilhelm IV.
Für den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. blieb der Dombau trotz seines allgemeinen Interesses für Kunst und Kultur doch eher ein politisches Projekt. Die Kathedrale wurde zum Symbol für nationale Stärke und für die Einheit des preußischen Reiches trotz der konfessionellen Unterschiede.
#2 Alter botanischer Garten / Hauptbahnhof
Umgeben von Pflanzen in einem Garten im Schatten des Doms zu entspannen, das wäre doch toll! Für Wallraf und seine Zeitgenossen war dies tatsächlich möglich. Denn dort, wo heute der Hauptbahnhof steht, befand sich früher der botanische Garten.
Ach du meine Güte, was ist denn hier passiert? Zu meiner Zeit gab es diesen „Hauptbahnhof“ hier nicht. Hier lag – Sie werden es kaum glauben – der Botanische Garten! Ein idyllischer Ort, ganz wunderbar bepflanzt…
Gerhard Fischer, Ansicht des botanischen Gartens in Köln (1850), KSM HM 1910/292, Reproduktion: RBA Köln 095 656
Der botanische Garten am Dom
Jesuitengarten
Wallraf und die Botanik
Als Wallraf 1784 begann, an der Kölner Universität Botanik zu lehren, nahm er sich des botanischen Gartens der Universität an. Dieser ältere Garten, also der Vorläufer des Gartens am Dom, existierte seit 1730 und lag in der Nähe der Zeughausstraße, dort wo die Medizinische Fakultät damals angesiedelt war.
Zur Zeit der Franzosen
In der Zeit der französischen Herrschaft wurden die Naturwissenschaften besonders gefördert. 1801 wurden die Gartenanlagen am Dom offiziell in den Rang eines Botanischen Gartens erhoben und ein Gärtner eingestellt, ein Jahr später gab es das erste beheizte Gewächshaus. 1805 wurde der botanische Garten um die Güter eines aufgehobenen Klosters erweitert.
Zur Zeit der Preußen
In der preußischen Zeit verloren der Botanikunterricht und damit auch die wissenschaftliche Funktion des botanischen Gartens in Köln erst einmal an Bedeutung. Aspekte der Erholung und des Vergnügens für die Kölner Bürger standen nun stärker im Vordergrund.
Der Bahnhof entsteht
Die Flora eröffnet
1864 wurde mit der Flora in Köln Riehl direkt neben dem Zoo eine neue Gartenanlage eingerichtet, die zunächst vor allem festlichen Anlässen diente. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dort auch ein umfangreicher neuer botanischer Garten eröffnet, der mit der Flora vereinigt wurde und an dieser Stelle bis heute zu finden ist.
#3 Melatenfriedhof
Der Kölner Friedhof liegt heute im Stadtteil Lindenthal. Zu Wallrafs Zeiten befand sich die Fläche aber noch außerhalb der Stadtmauer.
Johann Peter Weyer, Friedhof Melaten, 1838 © RBA Köln rba_c009818
Der MElatenfriedhof
Gräber aus Wallrafs Zeit
Melaten heute
Wallrafs Grab
Heute erinnert nur noch eine Namensinschrift auf einem schlichten Grabstein an den Kölner Professor und Sammler. Zunächst war hier nur Wallrafs Grab geplant, doch die Stadt entschied, auch Johann Heinrich Richartz nach seinem Tod hier zu bestatten, den Stifter des Museumsgebäudes für Wallrafs Sammlung. Ein deutlich oppulenteres Grabdenkmal wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Fotos Melatenfriedhof © Lisa Jureczko
#4 Neumarkt
Den Neumarkt gab es bereits zu Wallrafs Zeiten. Während der französischen Zeit wurde der Platz mehrfach umbenannt, so hieß er „Place de la Liberté“ (Platz der Freiheit), „Place des Armes“ (Waffenplatz oder Paradeplatz) und 1813 wurde er von Wallraf in „Place des Victoires“ (Siegesplatz) umgetauft.
Historische Darstellung, Franzosen errichten einen Freiheitsbaum auf dem Neumarkt 1794, Wikimedia Commons, gemeinfrei
Der Neumarkt
Napoleon um 1805, KSM © RBA Köln rba_c019915
Die Franzosen auf dem Neumarkt
Der Neumarkt war während der französischen Besatzung von großer Bedeutung. Als zentraler Ort endete hier der Einmarsch der französischen Armee 1794. Durch das Hahnentor zogen die Soldaten an St. Aposteln vorbei zum Neumarkt. Dort stellten sie am 9. Oktober einen Freiheitsbaum auf. Ähnlich dem heutigen Maibaum wurden hier Stämme mit bunten Bändern geschmückt – bei den Franzosen natürlich in blau-weiß-rot – und auf öffentlichen Plätzen aufgestellt. Die französischen Revolutionäre setzten dem Baum noch eine rote Jakobinermütze auf – das Symbol der Revolution schlechthin.
Napoleon in köln
Nicht nur der Einmarsch der französischen Armee, auch der Zug Napoleons in die Stadt endete auf dem Neumarkt. Am 13. September 1804 – also vier Monate, nachdem er zum französischen Kaiser proklamiert wurde – besuchte Napoleon Bonaparte Köln. Der Kaiser wurde gemeinsam mit seiner Frau Joséphine de Beauharnais (1763-1814) in der festlich geschmückten Stadt empfangen. Wallraf war es, der sich als Stadtführer gab und dem Kaiserpaar die Sehenswürdigkeiten Kölns zeigte.
#5 Klein St. Martin
Von der Kirche Klein St. Martin steht heute nur noch der Turm. Aber so klein ist der gar nicht…
Anton Woensam, große Ansicht von Köln 1531, © RBA Köln rba_061265
Die Kirche klein St. Martin
Der Kirchturm von Klein St. Martin steht etwas kurios zwischen Heumarkt und Neumarkt mitten auf der Straße. Als Wallraf 1748 in Klein St. Martin getauft wurde, gab es natürlich noch ein richtiges Kirchengebäude, die Gemeinde wurde allerdings nach der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts aufgehoben. Das baufällige Kirchengebäude wurde vermutlich 1824, im Todesjahr Wallrafs, abgerissen. Die Glocken von Klein St. Martin dienten als Ersatz für den eingestürzten Glockenturm der benachbarten Kirche St. Maria im Kapitol, daher blieb dieser Rest der Kirche erhalten. Die Umgebung änderte sich allerdings enorm, sodass der Kirchturm heute umringt von Straßen, Autos und Straßenbahn etwas fehl am Platz wirkt.
#6 Farina-manufaktur
Eau de Cologne – Echt Kölnisch Wasser bekommt man bereits seit 1709 bei „Farina gegenüber dem Jülichplatz“. Nicht nur Wallraf mochte das Duftwässerchen, auch Kaiserin Elisabeth, der Kölner Kurfürst Clemens August und Goethe zählten zu den Kunden.
Farina gegenüber dem Jülichplatz
Konkurrenz ums „Kölnisch Wasser“
Der älteste Anbieter von Eau de Cologne – Johann Maria Farina – hatte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts bereits einen Namen gemacht und konnte auf viele berühmte Kundinnen und Kunden zurückgreifen.
Markenschutz gab es im 18. Jahrhundert noch nicht, sodass sich bald viele Plagiate und Konkurrenzprodukte auf dem Markt befanden. Dazu gehörte auch die Produkte des Unternehmers Wilhelm Mühlens, der seit 1799 Kölnisch Wasser als Heilmittel verkaufte. Er holte sich Geschäftspartner mit dem Namen Farina in die Firma, um sein Eau de Cologne unter diesem Namen verkaufen zu können. Dies wurde der Firma nach langem Rechtsstreit 1881 schließlich untersagt, stattdessen wurde die Hausnummer zum Firmennamen. Fortan wurde das Kölnisch Wasser von Mühlens als 4711 verkauft – und ist heute bekannter als das Original von Farina.
Farina Karton mit Flaschen, © RBA Köln rba_d028657
#7 Zuhause im Steinweg
Der Steinweg ist eine unauffällige Straße in der Kölner Altstadt, in der nicht viel los ist. Vermutlich ist sie den Wenigsten heute ein Begriff.
Wallrafs elternhaus
Wallrafs unklare Abstammung
Für Wallraf war die Abstammungsgeschichte seiner Familie sehr wichtig: Als patriotischer Kölner, der sich zudem sehr für die Geschichte der Stadt seit ihrer antiken Gründung interessierte, war ihm daran gelegen, Teil dieser Geschichte zu sein. Allerdings wurde seine berühmte Abstammung schon mehrfach angezweifelt. Wallrafs Biograf Leonard Ennen schrieb, dass Wallraf den Familienstolz von seinem Vater übernommen habe. Dieser hätte aus Namensähnlichkeiten Familiengeschichte gesponnen. So versuchte er, vom Namen „Wallraf“ aus die Verbindung zum alten adeligen Kölner Geschlecht der „Walrave“ abzuleiten. Und seine Frau Anna Elisabeth – also Ferdinand Franz Wallrafs Mutter –, die tatsächlich Nettesheim hieß, konnte ja in diesem Lichte nur mit dem gleichnamigen Gelehrten Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim verwandt sein. Belegen ließ sich das nicht und vermutlich stimmt es auch nicht.
Plakette am Geburtshaus Ferdinand Franz Wallraf im Steinweg 10, Köln
© Raimond Spekking /
#8 Antoniterkirche
Inmitten Kölns viel frequentierter Einkaufsstraße übersieht man die Antoniterkirche schnell. Dabei ist ihre Geschichte nicht zu unterschätzen – als erste protestantische Kirche Kölns .
Die Anoniterkirche
Protestanten in Köln
Protestantinnen und Protestanten wurden in Köln bis zur Franzosenzeit nur geduldet. Die Reformation hatte sich hier nicht durchsetzen können und Köln blieb eine der wenigen absolut katholischen Reichsstädte. Den hier lebenden Personen protestantischen Glaubens wurde die Ausübung ihrer Religion streng verboten und auch ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte waren stark eingeschränkt.
Die Lage änderte sich allerdings unter den Franzosen. Ab 1798 galten Protestantinnen und Protestanten nicht länger als Gruppe minderen Rechts, sondern waren wirtschaftlich und politisch gleichgestellt. Erst 1801 wurde ihnen auch die Religionsausübung auf städtischem Boden erlaubt. 1802 feierten sie den ersten Gottesdienst in einem Brauhaus, drei Jahre später dann in der Antoniterkirche, die seitdem ein evangelisches Gotteshaus ist. Die Eingemeindung lief ohne Konflikte ab. Als dann aber mit der preußischen Herrschaft ab 1814 plötzlich die Regierung im Rheinland protestantisch war, kam es zu Konflikten mit dem katholischen Köln.
Geschichte des Antoniterordens
Der Antoniterorden wurde 1059 in Frankreich gegründet. Antonius ist der Schutzheilige der an Mutterkornbrand Erkrankten, einer verbreiteten Vergiftung, die damals durch den Verzehr von verseuchtem Roggen entstand. Der Ordensname geht zurück auf den Großen Antonius, der als einer der ersten Mönche überhaupt im 3. Jahrhundert nach Christus gilt.
Der Orden breitete sich über ganz Europa aus und betreute vor allem Hospitäler. Die Reformation beendete allerdings die Verehrung des heiligen Antonius vielerorts und der Orden wurde 1777 mit dem Malteserorden zusammengelegt. Die Antoniterkirche in Köln war eine der letzten beiden Niederlassungen. Sie wurde im 14. Jahrhundert gebaut, nachdem der Orden das Grundstück von einem Bettelorden übernommen hatte. Die Säkularisation löste diese Ordensgemeinschaft auf und übergab die Kirche an die Protestanten.
#9 Wallrafplatz
Zwischen Dom und Hohestraße liegt der Wallrafplatz. Zu Wallrafs Zeiten lag hier die Dompropstei – Wallrafs Lebensmittelpunkt.
Die Dompropstei
Samuel Prout: Blick vom Domkloster, um 1824
Carl Emanuel Conrad: Das große Dombild, 1856,
Peter Friedrich Schneider, RBA Köln rba_mf091208
RBA Köln rba_d023467Wallrafplatz, 2016, Sebastian Schlinkheider
#10 Wallrafianum
Direkt gegenüber dem Hauptbahnhof liegt das sogenannte Deichmannhaus. Zu Wallrafs Zeiten stand hier ein anderes Gebäude: der Kölner Hof. Dort entstand direkt nach Wallrafs Tod das erste städtische Museum Kölns: das Wallrafianum.
Der Kölner hof
Matthias Joseph de Noël, Wikimedia Commons gemeinfrei
Das Wallrafianum
De Noël
Nach Wallrafs Tod wurde de Noël zum Konservator der Sammlungen im Wallrafianum. Für diese Aufgabe erhielt er von der Stadt nur wenig Geld. Er selbst sammelte ebenfalls und seine Objekte mischten sich unter die Wallrafs. Heute besitzt vor allem das Museum für Angewandte Kunst viele Objekte aus der Sammlung de Noëls. Bis zu seinem Tod 1849 bot er kostenlosen Zeichenunterricht im Wallrafianum an.
Das Wallraf-Richartz-Museum im Laufe der Zeit
Jakob Hinden, Ansicht des Wallraf-Richartz-Museums und Umgebung um 1861,
Museum für angewandte Kunst Köln, 2008,
Südlicher eingang des Museum Ludwig, 2006,
RBA Köln rba_c000210Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, 2016, Sebastian Schlinkheider
Fotos der Stationen der Kölner Orte © Sebastian Schlinkheider